Leitsatz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Wir begleiten Menschen. Die evangelische Kirche bleibt eine dem einzelnen Menschen zugewandte Kirche. In den Wechselfällen des Lebens sind Menschen aufeinander gewiesen. Auch wenn sich kirchliche Strukturen verändern, muss die persönliche und verlässliche Erreichbarkeit einer Seelsorgerin oder eines Seelsorgers gewährleistet sein, um Freude und Leid mit den Menschen zu teilen. Es ist die Aufgabe aller für Seelsorge Beauftragten, ansprechbar und kommunikationsfähig zu sein. Wir stärken seelsorgliche Netzwerke durch eine gute Qualifikation aller Seelsorgenden und durch fachlichen Austausch. Es bleibt eine Herausforderung, dort präsent zu sein, wo Menschen besonderen Belastungen ausgesetzt sind.

Meine Gedanken

1) Gesichtspunkte

„Herr, ich habe keinen Menschen“ (Johannes 5). Dort zu sein, das ist der Grundauftrag der Seelsorge – und es ist bemerkenswert, dass sie in den EKD-Leitsätzen so weit nach vorne gerückt ist. Aufsuchende, wahrnehmende, hinhörende Seelsorge. Seelsorge, die sich ihrer selbst bewusst ist, denn sie liebt den Nächsten „wie sich selbst“, also selbstwahrnehmend. In diesen Momenten verschmelzen Diakonie und Seelsorge. Diakonie ist seelsorgerlich – und Seelsorge ist diakonisch. Das geht Hand in Hand. Und ihr Spezifikum im Unterschied zur Lebensberatung liegt in ihrem speziellen Raum, den sie eröffnet: die Deutung der momentanen Situation gemeinsam im Licht Gottes zu finden oder die Undeutbarkeit auszuhalten mit Gottes Hilfe.

Seelsorge geschieht stetig und von Mensch zu Mensch – und da und dort spezifiziert sie sich zurecht mit besonderer Kenntnis und Erfahrung in der Gemeinde durch Ausgebildete und Geschulte, angefangen von ebenfalls Ehrenamtlichen hin zu Hauptamtlichen aus verschiedenen Berufen.

Die Sonderfelder der Seelsorge bringen sie noch mehr in den Bereich der auch öffentlichen Sichtbarkeit: Schulseelsorge, Notfallseelsorge, Klinikseelsorge, Gefängnisseelsorge, Hochschulseelsorge, Telefon- und Chatseelsorge, Altenheimseelsorge … Immer aber geht es darum, achtsam, ansprechbar und kommunikationsfähig zu sein im Licht des Evangeliums und damit mit den die Seelsorge Beanspruchenden

2) Folgerungen

Was aber gibt es dann jetzt zu tun?

a) Wahrnehmungsfähigkeit und Dialogfähigkeit stärken

Miteinander überlegen wir immer wieder neu: wie wirke ich? Worauf achte ich? Was merke ich? Und wie komme ich ins Gespräch zwischen Tür und Angel oder im Blick auf einen ganz konkreten Anlass des Lebens (Geburtstag, Krankheit, Kasualie, Trauer …)?

b) Ressourcen entdecken

Was hilft Menschen, bestimmte Situationen durchzuleben und durchzustehen (Resilienz!)? Und wie können wir sie unterstützen, diese Ressourcen zu entdecken?

c) Auf Gott hören und ihn ins Gespräch bringen

Seelsorge eröffnet einen möglichen Raum, in den ein Mensch auf Zeit eintreten kann, um unter völliger Verschwiegenheit das Herz auszuschütten.

d) Frömmigkeit leben

Gebet, Lied, Meditation, Bibelwort … Die Palette möglicher einzubringender geistlicher Vollzüge ist reichhaltig. Sie adeln die Seelsorge nicht erst und machen sie nicht erst zur Seelsorge, sondern sie gehören wie selbstverständlich mit dazu und sind ein wesentlicher Teil des Angebotsraums, dessen Tür wir zeigen und, so gewollt, öffnen.

e) Professionalität

Schulung und Fortbildung, professionelle Hilfsstellen, spezielle Studien- und Ausbildungsgänge – all das hilft, Menschen je einzeln und im Team nahe zu sein und auf das, was sie bewegt, hörend und ratend und begleitend einzugehen.

f) Zeit für Seelsorge

Gerade die Seelsorge als nicht mit Zeitmitteln zu messende und auch oft nicht statistisch groß auswertbare Wesensäußerung des Glaubens braucht Raum, Zeit, Ressourcen. Denn sie zeigt wie keine andere Wesensäußerung (vom Gebet vielleicht abgesehen) die nicht auf Effizienz und Aktionismus ausgerichtete geistliche Grundhaltung von Kirche.

So sorgen wir für Seele, weil wir letztlich wissen und davon leben: Gott sorgt sich um und sorgt sich für unsere Seele.

Gedanken der EKD

Seelsorge ist als „Muttersprache der Kirche“ Teil des Auftrags der Kirche und eine Grunddimension jeglicher Kommunikation des Evangeliums. In Jesus Christus erweist Gott sich als seelsorglicher Gott, der Leben schenkt, Versöhnung schafft und Heil verheißt. Christliche Seelsorge orientiert sich an Jesu Art, mit Menschen umzugehen, und vertraut auf Gottes heilvolle Gegenwart in unserem Leben. Sie folgt dem Liebesgebot Jesu und ist Praxis des Evangeliums. 

Seelsorger und Seelsorgerinnen sind wahrnehmbar. Sie begegnen Menschen in unterschiedlichsten Lebenskontexten und Milieus. Seelsorge ereignet sich im breiten Spektrum von flüchtiger Alltagsbegegnung bis hin zur längeren Lebensbegleitung, im Beichtgespräch und im Rahmen von Kasualien, als tröstlicher Beistand im Sterben und in der Freude an Höhepunkten des Lebens.  Sie lädt Menschen aller Altersgruppen und in unterschiedlichsten Lebenssituationen dazu ein, Biographie zu teilen, Glauben zu stärken und Nächstenliebe zu erfahren. Seelsorge ereignet sich in vielfältigen Aktivitäten diakonischen Handelns. Schulseelsorge und die Beratung traumatisierter Menschen mit Fluchterfahrung gehört ebenso dazu wie Hospizarbeit und Taufgespräche.

Seelsorge ist häufig ökumenisch organisiert und findet sowohl im Raum der Kirche als auch in Kliniken und Heimen, im Strafvollzug, in der Polizei oder bei der Bundeswehr, im Urlaub und in der Alltagswelt, in der Notfallseelsorge und an vielen anderen Orten in Staat und Gesellschaft statt. Spezialisierte Seelsorge ist öffentlich wahrnehmbare Seelsorge jenseits von Gemeindegrenzen und reicht in vielen Fällen über die engere Region hinaus. Zur Seelsorge gehört die Zusammenarbeit auch mit nichtkirchlichen Anbietern. In großen diakonischen Werken ist dies selbstverständlicher Standard. Wir unterstützen Seelsorgende dabei, in einer multikulturellen und multireligiösen Gesellschaft eine christliche Haltung zu entwickeln und zu gestalten. Darum unterstützen wir Projekte und Qualifizierungen, die kultursensible und interreligiöse Kompetenzen fördern.

Seelsorge ereignet sich in Beziehungen. In all ihren Formen stellt sie mithin einen Kontakt zur Kirche dar. Sie nimmt die Erwartungen der Menschen auf, dass Kirche in Hoch- und Krisenzeiten des Lebens verlässlich da ist. So trägt Seelsorge zur positiven Wahrnehmung von Kirche bei und wird von den Seelsorgenden selbst als sinnstiftend für ihr Engagement erfahren. Seelsorge wendet sich den Menschen zu und hat dabei soziale und politische Kontexte im Blick. Wir wollen den Zusammenhang von seelsorglicher Zuwendung und diakonischer Praxis stärken.

Eine der größten Herausforderungen wird sein, seelsorgliche Nähe und Offenheit als Netzwerk aus Ehrenamtlichen und Hauptberuflichen dort gut zu organisieren, wo kirchliche Strukturen abgebaut werden müssen. Erreichbarkeit, Verlässlichkeit und Kommunikationsfähigkeit sind Voraussetzung einer gelingenden seelsorglichen Arbeit. Deswegen begrüßen wir alle Bemühungen auf regionaler und überregionaler Ebene, ökumenische Zusammenarbeit und Aufgabenteilung zu intensivieren.

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