Leitsatz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD)

Wir sagen, wovon wir leben. Durch das Evangelium von Jesus Christus tritt Gott mit Menschen in Beziehung. Die Verkündigung der Kirche richtet sich darum an alle. Wir bezeugen Christus und nehmen zu gesellschaftlichen Prozessen öffentlich Stellung, wo dies vom Evangelium her geboten ist und sich in unserem kirchlichen Leben und Handeln praktisch und erkennbar niederschlägt.

Meine Gedanken

1) Gesichtspunkte

Das Evangelium ist nie privat, immer öffentlich. Gott hat in Christus die Welt versöhnt, nicht ein paar wenige (2. Korinther 5,19). Wir sind beauftragt, in alle Welt zu gehen (Markus 16,15). Und ER will, dass allen Menschen geholfen wird und sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen (1. Timotheus 2,4).

Damit ist aber unsere Botschaft viel mehr als nur politisch. Sie beauftragt uns, Rechenschaft von unserer Hoffnung abzulegen – und dies Hoffnung hat trägt immer alle Dimensionen in sich: diakonisch, missionarisch, liturgisch, gemeinschaftlich. Wir reden also genau so öffentlich von Umkehr und Erneuerung des Lebens und Vergebung von Schuld durch Gott wie auch von den ethischen Konsequenzen im Blick auf alle Bereiche der zehn Gebote: Entzauberung der modernen Götter/Abhängigkeiten (1), Heilung der Sprache (2), Unterbrechung des Alltags (3), Generationengerechtigkeit (4), Frieden stiften und Lebenshilfe von Anfang an statt Sterbehilfe (5), Schutz von Ehe und Vertrauen und Verlässlichkeit (6), Bekämpfung des materiellen Unrechts (7), Aufrichtigkeit und Authentizität (8), Gönnen können (9+10).

 

2) Folgerungen

Was aber gibt es dann jetzt zu tun?

 

a) Subsidiarität stärken

Unsere Denke im Land sieht es vor – und das aus gutem Grund: dass bei den Angeboten der unterstützenden Hilfen vorrangig die freien Träger zum Zuge kommen sollen – und damit die Diakonie und die kirchlichen Kindergärten etc. Vorfahrt haben – aus gutem Grund! Nichts macht mehr Sinn, als dass der Staat vielfältig unterstützt wird aus den Reihen der Bereitwilligen, öffentliche Aufgaben im Schulterschluss gemeinsam zu übernehmen.

 

b) Öffentliche Orte immer neu suchen

Gottesdienste sind gesetzlich garantierte öffentliche Versammlungsorte. Und damit auch Gottesdienste an öffentlichen Plätzen – sie sind keine Privatzeremonien, sondern öffentliche Orte der Versammlungs- und Religionsfreiheit, die in unserem Land als Meinungsfreiheit bewusst gewollt ist.

 

c) Evangelische Bildungsarbeit durchgehend gestalten

Einziges Schulfach von garantiertem Verfassungsrang ist der konfessionelle Religionsunterricht. Keine Privilegfrage, sondern der gute Gedanke dahinter, dass Ev. RU dazu hilft, Positionen zu finden, die eben nicht aus einer neutralen Darstellung resultieren, sondern aus der Sicht, dass Positionierung ermöglicht, die eigene frei gewählte Meinung zu schärfen und zhu finden und abzugrenzen von Extremem.

Ev. Kindertagesstätten, Ev. Kindertagespflege und weitere Initiativen zur Gesamtbildung in der Öffentlichkeit erweisen dies auch. An alle gewiesen, und in der Trägervielfalt dennoch mit klarem Sinn für Sinn, Werte, Orientierung.

 

d) Mitmischen im Konzert der vielen Stimmen

Wir verteidigen mit unserer öffentlichen Verantwortung keine „privilegia christiana“, die wir wie in einer Trutzburg schützen – als sei dies hier alles einmal ein christliches Abendland, sondern wir ziehen uns eben nicht ins Private zurück, sondern bringen uns ein in den verschiedensten Bereichen des Lebens, weil Glaube und Alltagsleben und Öffentlichkeit nicht zu trennen sind.

 

e) Breite der öffentlichen Erkennbarkeit

Wir positionieren uns in der Öffentlichkeit nicht mit dem Fokus auf ein bestimmtes Themenspektrum (etwa die Dreieinigkeit aus Friede, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung), sondern gehen in die ganze Breite der Diskussion zum Leben helfend mit ein: vom allerersten Anfang bis zum letzten Atemzug des Lebens zum Leben. In der ganzen Ausdifferenzierung rund um die Fragen von Bewahren UND Bebauen der Schöpfung Gottes. Und im Blick auf viele weitere dringende ethische Fragen, die neu aufkommen, wie etwa der verantwortungsvolle ethische Umgang mit den Fragen der Digitalisierung (ehtische Nettiquette gegen Hatespeech, um nur ein Beispiel zu nennen).

 

f) Unser Profil in der Öffentlichkeit

Bringen wir nur bestimmte Themen ein, dann bleiben wir verwechselbar mit sogenannte NGO, mit freien Interessengruppen rund um bestimmte ethische Themen. Ev. Kirche ist keine NGO, sie ist eine im weitesten Sinne missionarische Bewegung, die Raum eröffnet für die Begegnung mit der Güte Gottes in Jesus Christus – und damit den Themen wie Ewigkeit, Vergebung, Gottes- und Nächstenliebe, Trost, Sinn, Glaube, Hoffnung …

 

So nehmen wir unsere Verantwortung gerne wahr und gerne auch noch mehr – ganz gemäß dem Auftrag: „Seid allezeit bereit zur Verantwortung vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist“ (1. Petrus 3,15).

Gedanken der EKD

Die Gründung der Kirche im Evangelium verlangt eine Besinnung darauf, zu welchen Themen und Anlässen die evangelische Kirche in Zukunft öffentlich Stellung nehmen soll. Der Maßstab hierfür ist das Evangelium von Jesus Christus. Gott ruft uns in die Verantwortung zum Dienst an der Welt und am Nächsten. Weil die Kenntnis der großen Erzählungen der Bibel schwindet, werden wir in Zukunft genauer erklären, wie unser Engagement mit der biblischen Tradition zusammenhängt und wie unsere Positionen im Evangelium begründet sind. Als Kirche der Freiheit bejahen wir eine plurale Gesellschaft. Zugleich bemühen wir uns um ein klares geistliches Profil in einer unübersichtlichen Welt. Die Kirche wird umso glaubwürdiger, je mehr ihr Reden rückgebunden bleibt an ihr eigenes zeichenhaftes und richtungsweisendes Handeln.

Wir sind Kirche für andere und mit anderen. Die evangelische Kirche bringt mit ihrem Reden und mit ihrem Handeln die Menschenfreundlichkeit Gottes zum Ausdruck. Dies geschieht in der individuellen Zuwendung zum Einzelnen wie auch in der Mitgestaltung des Sozialen. Diakonie und Kirche stabilisieren einander und stärken gegenseitig ihr Profil.

Die evangelische Kirche begleitet die Politik verantwortungsbewusst und kritisch. Sie gibt zum Beispiel im evangelischen Religionsunterricht Orientierungs- und Sprachhilfe nicht nur in sozialethischen Fragen, sondern auch im Umgang mit Schuld und Vergebung, mit Tod und Sterben, mit dem Streben nach Glück und der Erfahrung von Brüchen und Leiden. Sie macht deutlich, dass ihr eigenes Eintreten für Menschenwürde und Menschenrechte, für Freiheit und Gerechtigkeit, für Frieden und Bewahrung der Schöpfung im Glauben an Jesus Christus begründet ist. Es geht nicht darum, andere zu bevormunden, sondern konstruktiv zur öffentlichen Diskussion beizutragen. Das Evangelium hat gegenüber totalitären und menschenverachtenden Positionen eine kritische Kraft.  Die Ausgrenzung von Menschen aufgrund ihrer Nationalität oder ihrer Religion ist ebenso wenig mit dem Evangelium von Jesus Christus vereinbar wie die Abwertung von Frauen und sexuellen Minderheiten.

Die evangelische Kirche lebt davon, dass sich alle Engagierten – gleich ob beruflich, neben- oder ehrenamtlich – an der theologischen Urteilsbildung beteiligen. Kirchliche Kammern und Kommissionen bleiben wichtig für das Gespräch mit Politik, Kultur und Wissenschaft. Die finanziellen und personellen Ressourcen der Kirche für die Arbeit in speziellen gesellschaftlichen Bereichen werden aber geringer. Wir werden überprüfen, für welche Themen und in welchem Umfang es in Zukunft mit Spezialistinnen und Spezialisten besetzte Beratungsgremien, Fachinstitute und Sonderpfarrämter geben wird. Wir wollen die Kommunikation dessen, was die Kirche zu sagen hat, verbessern, damit unsere Botschaft dort ankommt, wo sie gehört werden soll.

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